Wein des Monats April 2013
von Alex. Schilling
[dropcap1]B[/dropcap1]ei Winzerbesuchen und Reisen durch deutsche Weinlanden unterhält man sich mit Winzern doch fast immer über die gleichen Themen. Eines ist jahreszeitlich bedingt z.B. das recht frühe Füllen von Weinen, oftmals ist der neue Jahrgang schon im Januar oder gar Dezember auf der Flasche. Besonders erstaunlich ist das bei VDP Betrieben, welche die Weine nach dem Verbandstatut frühestens nach dem Jahreswechsel füllen dürften. Nicht die einzige Missachtung der Verbandsregeln, die der VDP seinen Mitgliedern aber gerne durchgehen lässt. Nur dumm, dass der Konsument eben an solche Regeln glaubt, „wenn nicht der VDP, wer denn dann“…
Natürlich ist es aus wirtschaftlichen Erwägungen verständlich, wenn Kundenanfragen bedient werden müssen; denn vom Wein allein lebt nun mal auch kein Winzer. Auch hat man den Eindruck, dass viele geisenheimer Absolventen – die dann den elterlichen Betrieb übernehmen – geradezu doktrinär nach Handbuch arbeiten. Wenn das Lehrbuch sagt, der Wein ist nach vier Wochen fertig, dann wird eben abgestochen und gefüllt.
Erfreulich also für jene Betriebe, die genügend Wein für den Verkauf im Lager haben. Anerkennung für jene, die fragenden Kunden sagen „der blubbert noch, ruf halt in zwei Monaten nochmal an“, aber auch Verständnis, wenn es finanziell eben nicht anders geht. Sicher muss auch nicht jeder Gutsriesling bis Juni im Fass liegen. Das Spannungsfeld Nachfrage und Qualität ist aber für viele Winzer unangenehm, weil oftmals kaum zu bewerkstelligen.
Auch das Thema spontane Gärung ist im Winzergespräch vor Ort immer spannend. Sicher führt so manche Spontangärung mitunter zu merkwürdigen Ergebnissen und hätte man besser bleiben lassen. Wenn diese unkontrolliert zu „Charakterweinen“ avanciert, ist das noch hinnehmbar, bleibt die Gärung bei 20g Zucker und mehr aber einfach stehen, ist das schlichtweg ein finanzielles Desaster. Mancher holt dann die Charge mit Reinzuchthefen auf die sichere Seite, andere geben das Fass schweren Herzens an den Fasshändler zum verschneiden.
Beim Weingut von Racknitz aus Odernheim an der mittleren Nahe hat man diese Themen fest im Griff. Weine bekommen hier einfach die notwendige Zeit im Fass und später auf der Flasche. Hier liegt der ein oder andere 12er noch auf der Hefe und man wartet nach der Winterpause gelassen auf das erneute Einsetzen der Gärung. Nach Matthias Adams vom Weingut Racknitz sei es eh das Beste, im Keller möglichst nichts zu tun; nicht aufgescheucht herum zu wuseln und ständig mit sämtlichen kellertechnischen Möglichkeiten dem Wein auf die Pelle zu rücken. Wohlgemerkt wird in diesem Betrieb nur spontan vergoren und das ohne nervös zu werden.
Matthias Adams vertraut seinen Weinen, vertraut seinen Hefen und weiß, dass Wein eine ganz eigene Dynamik hat. Getreu dem Motto „alles wird gut“ wartet er einfach ab. Erstaunlicherweise ist in diesem Zusammenhang die Hygiene im Keller von größter Bedeutung. Beim Weingut von Racknitz funktioniert spontane Gärung in einem sauberen Keller am besten. Viele der Winzer Kollegen sind geradezu stolz auf dicke Schimmeldecken in ihren Kellern und glauben, dass diese Kellerflora einen positiven Einfluss auf die Weine hätte. So manchen Fehlschmecker und Böckser führt Matthias Adams auf mangelnde Sauberkeit im Keller zurück. Bei von Racknitz wird der Keller einmal im Jahr gekalkt und die Tanks peinlichst mit Zitronensäure gereinigt. Weinkellereigene Hefen, mutierte, seit Jahren in den Ecken hockende Pilze möchte man bei Racknitz nicht im Wein haben; wohl aber die frischen Hefen auf den Trauben bei der Ernte.
Heute haben im Blog ein Wein, der geradezu ein Plädoyer für Reife ist. Dem 06er Riesling Niederhäuser Klamm wurden sechs Jahre Flaschenreife zugestanden, er kommt erst jetzt in den Verkauf . Die Lage Niederhäuser Klamm beschreibt Matthias Adams als „Parabolspiegel mit langen Sonnenstunden, extreme Steillage über 70° machen den Einsatz einer Raupe unmöglich“. Reine Handarbeit. Auf steinigem Untergrund aus Vulkangestein klettern hier die Temperaturen in Bereiche, die das Arbeiten im Hochsommer ab 12Uhr nicht mehr möglich machen. Mit dem Einbringen von Kompost ist die Hitze aber beherrschbar. Die Trauben werden in diesem Wingert beinahe gekocht und erreichen hohe Reifegrade.
Im Glas mit unglaublicher Kraft und Tiefe, wie man sie selten an der Nahe findet. Mit diesem Wein wird man exakt auf die Gebietsspitze eingenordet. Deutlichste, druckvolle Mineralik vom Porphyr, reife Extraktsüße, beinahe kandierte Frucht mit Noten von Akazienhonig und ausgesprochen markanter Kräuterwürze. Am Gaumen rassige Mineralik, feingereifte, vibrierend frische Säure. Kein ungestümes Getöse trotz wunderschöner Ecken und Kanten. Höchst unterhaltsamer Edelstsaufwein für wirkliche Rieslingnerds, die auf alles, nur nicht den schnellen Schluck aus sind. Unbedingt dekantieren!
Nicht nur Wein des Monats, sondern auch einer der Kandidaten für den Weißwein des Jahres auf derWeinblog.de.
Ab Hof für 18€ nur zu empfehlen!
Ein Gedanke zu „Racknitz Riesling Niederhäuser Klamm 2006 trocken Nahe“