Internationaler Stil: Wer braucht den wirklich?

„Ein Wein von internationaler Stilistik“ und ähnliches wird einem von so manchen Winzern, Verkostern und vor allem Verkäufern häufig angeboten. Dabei frage ich mich, warum deutscher Wein nicht nach Deutschland schmecken darf – man viel seltener (gar nicht!) mit „typisch deutscher Stilistik“ wirbt. Wird deutscher Wein verleugnet? Mal wieder verliere ich mich in Begrifflichkeiten… Stachel Spätburgunder Maikammer weinblog

[dropcap1]H[/dropcap1]at deutscher Wein keinen Stil, ist der Wein wirklich schlechter oder ist es in Zeiten der political correctness schlichtweg unangenehm, mit eindeutig nationalen Erzeugnissen aus dem Weinberg zu werben? „Made in Germany“ klappt doch sonst auch, selbst Äpfel vom Bodensee werden nur bei unsachgemäßer Lagerung braun, Champagner kommt weiterhin aus Frankreich und Rioja bleibt in Spanien. Hat derjenige, der nach Italien Schmeckendes aus deutschen Gefilden verlangt in Geografie eigentlich gepennt?

Der Ruf deutscher Weine ist immer noch schlecht. Zum 25. Firmenjubiläum gibt es einen fetten Franzosen, Händler können für einen Wein aus Italien, Frankreich oder gar Übersee meist mehr Geld verlangen, weil der deutsche Wein ja nix taugt!  Das weiß man… Zugegeben, vor allem Rotweine waren in vergangenen Jahrzehnten sicher nicht mit Weinen anderer Länder zu vergleichen. Aber ist das überhaupt die richtige Frage? Warum nicht den Gegensatz suchen, anstatt globale Gleichschaltung? Der Versuch also, den schlechten Ruf durch Weine „internationaler Stilistik“ aufzupolieren, erscheint mir schon im Ansatz fragwürdig!Stachel Spätburgunder Maikammer weinblog

Die Weinbranche beschert uns „internationale Weine“ aus der Pfalz, Baden und Rheinhessen, die aber so dermaßen austauschbar mit Tropfen anderer Nationen gleich welcher Herkunft sind, dass der Begriff „internationale Stilistik“ sogar wahr wird. Im Glas schwappt dann konforme, dunkelrote Plörre, die tatsächlich international ist, weil sie einfach überall funktioniert. Weltstandart & Weltwein? Das obligatorische Parker-Bashing entfällt an dieser Stelle… Stachel Spätburgunder Maikammer weinblog
Wer auf der Suche nach Identität italienische oder französische Weine meint, dann aber von internationaler Stilistik faselt, schert zwei stolze Weinbaunationen über einen Kamm. Der so genannte „Weinfachhandel“ mischt bei dieser inhaltslosen Verkaufspropaganda übrigens genau so mit wie der Supermarkt. Schade! Stachel Spätburgunder Maikammer weinblog
Ziereisen aus Baden gelingt ein Syrah
, bei dem Verkoster auf Blindproben angesichts der Herkunftsfrage Probleme bekommen. Dass Syrah aus Deutschland nämlich nicht wie jener aus Frankreich schmeckt, wird tatsächlich kritisiert. Eigenständigkeit, jener Moment, der Wein doch erst besonders macht, wird zur Disposition gestellt. Auf die zugegeben barock-kitschigen Zuckerbomben vergangener Tage, kann ein im neuen und hard getoasteten Barrique geqäulter Dornfelder sicher in den seltensten Fällen die Antwort sein; schön, wenn Merlot und Sangiovese hier wachsen, aber muss er denn wie von dort schmecken? Mut zur Regionalität. Mut zum Eigensinn. Es lebe die Vielfalt!

Wir haben in Sachen Wein das “Zuhören” verlernt. Wir haben vergessen, auf Unterschiede zu achten, diese gar zu fordern und als Gewinn zu verstehen. In Sachen Weingeschmack bin ich Globalisierungsgegner! Wenn der Trunk von Jahr zu Jahr verschieden schmeckt, mag dass bei Coca-Cola ein Computerproblem sein, aber ist bei Wein nicht genau das das Ziel? Wein ist ein Ausdruck davon, dass die Natur unmittelbar an dessen Entstehung beteiligt ist! Unser Gaumen aber, vom Supermarkt seit Jahrzehnten verlässlich verwässert, ist gleichgeschaltet. Er marschiert im Einklang dessen, was der Handel von uns will. Die Generation Miracoli trinkt, was billig ist. Billig ist gut. Wenn Großkellereien dann geschickt von ihren hohen Standards der Weinbereitung sprechen, glaubt der deutsche Michl „Qualität“ zu hören, gemeint ist aber der hohe Standard an Technik. Industrialisierung des Weines. Masse statt Klasse!  Stachel Spätburgunder Maikammer weinblog

Stachel Spätburgunder Maikammer 2010 trocken Pfalz

Stachel Spätburgunder Maikammer weinblog

[dropcap1]D[/dropcap1]as Weingut Erich Stachel aus Maikammer in der Südpfalz beweist die vermisste Eigenständigkeit, bringt mit dem Spätburgunder Maikammer aus 2010 einen Rotwein ins Glas, der mit Überschriften wie „so schmeckt Deutschland“ oder „Die wahre Pfalz“ vom einschlägigen Meinungsjournalismus betitelt werden könnte. International ist hier gar nichts!

Auffallend hell, fast schon möchte man das ungewöhnlich finden. Der Anteil der mit einem ordentlichen Schuss Deckrot in Form von Dorn- oder gar Dunkelfelder „aufgewerteten“ Spätburgunder bestimmt immer noch die Masse, lehrt uns, wie dunkel Spätburgunder zu sein hat. Diesen Hokuspokus gibt es beim Weingut Stachel nicht, obwohl es ohne Deklarationspflicht mit bis zu 15% Anteil strecken könnte.  Der Stoff kommt so ins Glas, wie er eben unmittelbar an der deutschen Weinstraße gewachsen ist, auch schreibt man nicht „Pinooooooo Nooaaaaa“ auf die Flasche. Stachel Spätburgunder Maikammer weinblog

In der Nase ein prallfruchtiges Düftchen von Erdbeeren, Himbeeren und einem leichten Anklang von Vanille. Ein leicht röstiger Ton entfaltet sich vor allem am Gaumen, spielt mit der Frucht. Hier ist nichts zu schwer, kein brachiales Getöse. Man kann diesen Wein auch rein vegetarisch zu sich nehmen. Kapitales Getier wäre fehl am Platz.
Die Gerbstoffe in rebsortentypisch verschwindend geringer Menge, es ist halt so. Aber geschmeidig fein sind sie dann doch. Vor allem bleiben sie ewig auf der Zunge liegen. Oft ist es der Nachhall, an dem Weinkundige die Qualität eines Weines messen. Rauchig, ein Gedanke von Speck bleibt hängen. Eine erstaunlicherweise vorwiegend an der Zungenspitze präsente Säure sorgt für Frische. Spätburgunder aus deutschen Landen. Stachel Spätburgunder Maikammer weinblog

6,50€ ab Hof Stachel Spätburgunder Maikammer weinblog

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