Ein Wort zum Vatertag: Supermarktwein

Ein schwieriges Thema! Fangen wir mit ein paar spontanen Äußerungen an:

“Wein im Supermarkt ist günstig.” “Der war ganz doll rot und hat nach Kirschen geschmeckt.” “Wein aus dem Supermarkt ist ein Massenprodukt, das kann nix sein. Supermärkte gibt es an jeder Ecke.” “Der Supermarkt bietet ein riesiges Angebot.” “Wein aus dem Supermarkt macht die Preise kaputt.” “Die Beratung…welche Beratung?” “Der aus dem Supermarkt hat aber auf der Party allen geschmeckt.” Supermarktwein

Die Massenangebote im Supermarktregal werden scheinbar immer größer. Meterlange Reihen von einfachen Qualitäten ab 1,69€ bis hin zu bekannten Namen wie Chablis, Brunello und Rioja für 24,99€. Schnell gekauft, Butter, Windeln und Schnittblumen bekomme ich dort auch. Die Marktforschung zeigt, meist findet die Kaufentscheidung über die Faktoren Preis und Etikett statt. Andere Märkte versuchen den Verkauf von Wein zu „entschleunigen“, wir stehen vor dunklen Holzvertäfelungen, warmes Licht, pervertierend plätschernde Fahrstuhlmusik. Das Angebot an Weinen ist dann meist auch kleiner. “Back to the roots,” Weinlädchen im Supermarkt? Nein, kein Umdenken, sondern zwei
verschiedene Konzepte! Dem Kunden wird gezeigt, „entspann dich, genieße ein Stück Italien“. Urlaub für 12,99€? „Ja, ich nehm gleich zwei… ach und an der Theke bekomme ich noch Seranoschinken, super!“(markt). Supermarktwein

Ich beschreibe hier nur, wie das funktioniert, es ist keine moralischer Zeigefinger! Supermärkten unterstelle ich grundsätzlich, Geld verdienen zu wollen. Der Weinhändler um die Ecke, ich nenne ihn mal Dimpfelmoser, muss das aber auch. Was ist der Unterschied? Herr Dimpfelmoser ist Weinfreund. Dimpfelmoser kennt den Winzer, weiß, wie der Wein gemacht wurde und verkauft dann meist ein nur in kleinsten Mengen verfügbares Produkt. Dabei bürgt eine Winzerfamilie vielleicht schon seit Jahrhunderten mit ihrem Namen. Herr Dimpfelmoser weiß auf Grund seiner Erfahrung, welcher Wein vielleicht der Richtige für seinen zuweilen langjährigen Kunden ist. Herr Dimpfelmoser bietet Beratung, als
Stammkunde kann man auch hin und wieder mal probieren. Er investiert mehr Zeit, er ist nicht nur deshalb etwas teurer. Das natürlich eine Idealvorstellung, denn die Realität ernüchtert auch hier ab und an sehr schmerzhaft! Supermarktwein

Herr Meyer, so nenne ich mal den Einkäufer vom Supermarkt, zieht los und muss zuerst wissen welche Menge geliefert werden kann, wie viel Prozent Nachlass bei 25.000 Flaschen noch gehen, wie wird das auf 1500 Filialen verteilt usw… Nachdem diese Dinge also von den Anwälten geklärt wurden, wird Herrn Meyer ein Gläßchen zum Vertragsabschluss angeboten: „Ach danke, ich bin Biertrinker“…
Ok, maßlos überzeichnet, Herr Dimpfelmoser zieht seine Kunden zuweilen auch über den Tisch und Herr Meyer von der Supermarktkette ist natürlich Weinkenner. Dennoch handeln beide aus grundsätzlich verschiedenen Perspektiven, die auf das verkaufte Produkt Auswirkungen haben. Und: Herr Dimpfelmoser steht in seinem Laden, Herr Meyer nicht! Supermarktwein

Supermarktwein Fredmeyer edit 1
Die Masse macht´s – Supermarkt in den USA
So, ein bisschen frei von der Seele geredet, ich will es kurz machen: Supermarktweine sind Massenprodukte, sie sind „ready to use“, bieten in allen Jahrgängen die gleiche, computergesteuerte, „zu allen Gelegenheiten passende“ Qualität. Die Jahrgänge stehen nur drauf , weil es gesetzliche Vorgaben gibt. Diese Weine sind immer verfügbar, treffen den Geschmack möglichst vieler Menschen und kosten dabei noch wenig Geld. Diese Produkte sind also ohne vorherige Definition des Zieles nicht herzustellen, sie
erfüllen Maßstäbe, die eine interne Qualitätssicherung kontrolliert. Spontangärung? Selektive Handlese in der Steillage? Bestimmt nicht, viel zu unsicher, viel zu teuer!

Mit genau diesem Wissen kaufe ich Supermarktweine. Wenn ich also mal eben schnell für Gäste einen gefälligen Tropfen brauche und ich weiß, dass wir über alles, aber sicher nicht über Wein sprechen werden. Auch der „einfach so“ Wein steht im Supermarkt, wenn ich nicht vorhabe damit esoterisch herumzuschweben oder wie auch immer man die Freude am Weintrinken beschreiben oder mir unterstellen möchte. Auch ist Supermarktwein gerade für Einsteiger nicht verkehrt. Was ist Merlot, wie geht Riesling? Grundsätzlich kann man im Supermarkt in verschiedene Rebsorten und Anbauländer reinhorchen. Außerdem muss Wein schmecken, wenn der aus dem Supermarkt passt, dann ist das so! Geht mir nicht anders.
Manche Weine kann man aber nicht im Supermarkt kaufen. Nicht weil es sich „nicht gehört“ sondern weil es diesen Wein dort einfach nicht gibt. Um das zu verstehen, muss man aber probieren, testen und schnüffeln.

Der Weinhändler bietet ein anderes Angebot. Für denjenigen, der Weintrinken auch als Hobby und Unterhaltung sieht. Hier ist es möglich, verschiedene Lagen eines Weingutes zu probieren, kleine Weingüter kennenzulernen und Jahrgänge zu vergleichen. Der Händler versteht die Sprache des Kunden, im Supermarkt werde ich auf die Frage „Wo find ich denn St. Laurent“ auch schon mal an die Käsetheke verwiesen. Das ist kein Vorwurf , das ist eben so im Supermarkt.
Beim Weinhändler finde ich die wirklichen Geschichten von Weingütern, deren Arbeit und deren Überzeugungen, erfahre von den Problemen beim Spätburgunder und warum dieser nun mal mehr kostet als Lemberger. Im Supermarkt finde ich Etiketten von Werbeagenturen, eine Präsentation der technischen
Möglichkeiten unserer Zeit und letztlich auch Lehrpfade für Marketing. Das alles kostet übrigens auch Geld, Geld, welches der kleine Winzer eher in seinen Wein steckt.

In beiden Fällen kaufen wir also nicht nur Wein, sondern ein auf verschiedene Weise komplexes Produkt. Bei dem einen ist es ohne Aufwand leicht, auch Hintergrundinformationen zu bekommen. Diese stellt der Produzent oder Verkäufer gerne bereit, er ist stolz darauf und unterschreibt mit seinem Namen. Das andere Produkt wird gebündelt dargestellt, der Konsument soll nicht alles wissen, sondern wieder kaufen ohne Fragen zu stellen. Den meisten Weinkonsumenten scheint das auch recht zu sein, ich schreibe für diejenigen, die aber etwas ändern wollen, die vielleicht so eine kleine, unklar rumorende Sehnsucht beim Thema Wein erfüllt.

Wein ist mein Urlaub, jedesmal eine kleine Reise. Also doch 12,99€ und Seranoschinken von der Theke? Jeder muss für sich entscheiden, wo oder wie er Wein kauft. Kann man aber frei entscheiden, wenn man nicht den Unterschied kennt? Nochmal: Auch ich kaufe im Supermarkt, weiß aber, was ich da kaufe. In Deutschland gehen etwa 80% der verkauften Weine über Supermarktkassen, Tendenz steigend. Bei mir ist es anders, 60% beim Weinhändler, 35% beim Winzer und 5% im Supermarkt.
Wein ist f ür mich ein Stück individuelles Lebensgefühl. Das kann man aber nicht im Supermarkt kaufen. Das Gef ühl fängt dann an, wenn ich unruhig werde und in den Weinladen will. Nach einem Plausch mit dem Händler lege ich mir dann die einzelne Flasche in den Keller, informiere mich ein bisschen, wer den eigentlich der Winzer ist um dann irgendwann die Flasche zu öffnen. Wochen später, die Flasche ist schon längst leer, finde ich vielleicht Parallelen bei anderen Weinen oder wundere mich, dass der Riesling der gleichen Lage, aber von verschiedenen Winzern, so unterschiedlich schmeckt. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen das so erleben, auch weil ich es Winzern und Einzelhändlern gönnen würde.

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