Teutscher Spätburgunder vs. internationaler Stil

Der letzte Beitrag auf diesem Blog ist ein paar Tage her. Zwei Töchter haben das Licht der Welt erblickt; der Autor hat sich mal eben mit einem „kleinen“ Café in Erlangen selbständig gemacht: es war ein bisschen was los. Natürlich ist die Weinbegeisterung geblieben, allein die Zeit war etwas rar…

Herausgepickt habe ich mir heute aus der Rubrik „Rotwein aus Deutschland… jaaa, geht denn das?“ das Weingut Bischel aus Rheinhessen, gelegen zwischen Bingen und Mainz. Nicht nur in den sozialen Medien ein vielgepriesener Stoff, sondern tatsächlich ein Aushängeschild des deutschen Weinbaus; speziell dann, wenn es um Rotwein geht. Ein Wein, der der typischen Auflage „internationaler Stil“ nicht erliegt; ein Weinbaubetrieb, der Wein so macht, wie er aus dem Weinberg kommt.

„Ein Wein von internationaler Stilistik“ und ähnliches wird einem von so manchen Winzern, Verkostern und vor allem Verkäufern gerne angeboten. Es klingt nach der großen Weinwelt, es klingt nach „das ist was Besonderes“ – es ist ein schnelles Verkaufsargument und zugleich der Ausschluss des Kunden im Sinne, “das verstehst Du eh nicht, aber kauf´es, es ist gut!”. Was nach Überall schmeckt ist aber nichts Besonderes mehr, sondern eher beliebig… Habe mich vor ein paar Jahren schon mal über das Thema ausgelassen, findet man hier 

Discounter melken diese Kuh und verkaufen dann Barolo für 12€. Finger weg von solchem Zeugs! Man muss bedenken, dass in D immer noch weit über 70% des getrunkenen Weines über die Scannerkasse läuft; Massenware für den schnellen, sinnfreien Verbrauch. Allgemeine Zahlen findet man hier.

Dabei frage ich mich, warum deutscher Wein nicht nach Deutschland schmecken darf – man viel seltener (fast nie!) mit „deutscher Stilistik“ wirbt. Wird deutscher Wein verleugnet? Ist ein Winzer, der damit wirbt vielleicht sogar ein Nazi??? Bullshit! Leider traut man es dem deutschen Rotwein nicht zu, “gut” zu sein.

Aber was ist denn “gut”? Schaut man, was aus Italien oder Frankreich kommt – Weine, die international viel mehr getrunken werden und DAS erwartet, dann kann deutscher Wein nur straucheln. Er ist anders, was nicht bedeutet schlechter. Entscheidend ist, was gefällt, und das soll jeder ohne Schranken im Kopf für sich entdecken. 

Einen lesenswerten Beitrag zum deutschen Rotwein – also Spätburgunder – hat Felix Bodmann verfasst. Felix hat sich aber hier sicher nicht dem “daily drinkable” bedient. Mit dem “Mandelgraben” von Molitor legt man immerhin schon 30€ auf die Theke. Habe ich selbst einige Flaschen im Keller, sensationeller Stoff. Sicher nicht mit der Absicht zu schmälern stelle ich heute aber einen etwas günstigeren Wein an.

Das Weingut Bischel, gelegen in Rheinhessen zwischen Bingen und Mainz ist seit 2019 Mitglied im Club der Exklusiven deutschen Winzer, dem VDP. Christian und Matthias Runkel sind die Hauptverantwortlichen des Familienbetriebes. Die beiden beschreiben ihre Weine als „unplugged“ – ein Begriff, den der Winzer Martin Tesch erstmals bezüglich Wein verwendet hat, und damals durch Stuart Pigott in die Weinwelt transportiert wurde. Bei „unplugged“ wird nichts verstärkt, es wird nicht zurechtgefummelt, der Wein kommt aus dem Weinberg in die Falsche. Man arbeitet nichtinvasiv, ein Begriff, der aus der Medizin stammt und eine möglichst minimalistische Weinbereitung in Bezug auf die eingesetzte Technik meint.

Apenheimer Spätburgunder 2014, trocken, Weingut Bischel:

Im Glas zartblumige Nase, beerige Früchte, schwarze Johannisbeere; etwas Waldboden. Dezente Vanille Note vom Barriqueausbau, etwas Schokolade und sehr feines Tannin. Hier ist nichts zu laut, keine der Eindrücke drängelt nach vorne. Keine “fette Bombe” und man weiß dennoch am nächsten tag noch, was man getrunken hat.

Bezugsquellen gibt es viele im Netz, für gewöhnlich versenden Weingüter auch selbst 😉 Mit ca. 18€ ist man dabei.

Riesling ist Sehnsucht

Württemberg ist völlig unterbewertet. Man kann das nicht oft genug sagen. Während so manche Weinbauregion Deutschlands immer noch von ihrem schon vor Jahrhunderten erarbeiteten Ruhm lebt, dümpelt Württemberg – bestenfalls noch für Trollinger bekannt – in einem Schattendasein vor sich hin. Schade!

Wein des Monats März 2016

[dropcap1]E[/dropcap1]s ist Prowein. Meine Timeline in FB läuft über. Bin ein bekennender Meider der Prowein. Mir ist das alles zu viel, zu schnell, zu laut. Man sollte Wein alle mögliche Aufmerksamkeit schenken, mehr dann aber auch nicht. Wein ist Sehnsucht, Wein ist ein zwangloser Moment. Die Prowein zeigt das Gesicht der Weinmaschinerie. Was ich dort verpasse? Vermutlich den Moment und damit für mich das Wichtigste… Sehnsucht!

beurer rieslingSolch einen (Wein)Moment hatte ich vor wenigen Tagen mit dem Weingut Beurer. Unmittelbar vor den Toren der Landeshauptstadt Stuttgart in Kernen-Stetten gelegen, macht hier ein Betrieb sicher auch durch modernes Marketing, vor allem aber wegen besonderer Qualitäten in der Flasche auf sich aufmerksam – und für alle, die im Gegensatz zu mir in Düsseldorf verweilen, Halle 14 / A32. beurer riesling

Erst 1997 trat man aus der Genossenschaft aus um als „Garagenwinzer“ den eigenen Betrieb aufzubauen. Seit 2003 arbeitet man sich im ökologischen Weinbau voran. Mittlerweile ist das Weingut Jochen Beurer Mitglied bei Ecovin (2009), produziert biodynamisch nach den Richtlinien von Demeter (2012) und wurde 2013 durch die Aufnahme in den VDP geadelt.
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Jülg Sauvignon blanc Sonnenberg 2012 trocken Pfalz | #Leertrinker07

Vor einigen Tagen hatte ich hier auf dem weinblog einen Sauvignon blanc. Über diese Rebe zu berichten gleicht in Deutschland gnadenloser Sisyphusarbeit. Gelesen hat den Text kaum jemand, also gleich mal nachlegen. Warum? Weil guter Wein!

[dropcap1]D[/dropcap1]as Weingut Jülg hat mich bereits vor einiger Zeit mit einem wunderbaren Riesling aus dem gleichen Jahrgang in den Bann gezogen; es wird also Zeit, mal wieder über das Weingut aus Schweigen in der Pfalz unmittelbar an der Grenze zu Frankreich zu berichten. Der Schwerpunkt des Betriebes unter Johannes Jülg liegt zwar eindeutig auf Riesling und feinsten Spätburgundern, was aber diesen Sauvignon blanc nicht schmälern soll. Im Gegenteil: Stilistisch fügt er sich in das Sortiment ein und sollte neben den „großen Brüdern“ einmal erwähnt, besser noch getrunken werden!

Jülg_Sauvignon_blancDenn auch bei diesem Wein aus dem Sonneberg zeigt das Weingut Jülg was es antreibt. Gerade mit dieser Rebe. Man könnte nämlich so viel mehr Getöse daraus machen, aber man muss es eben nicht. Bei Jülg lebt man bewusste Reduktion und Understatement, die räumliche Nähe zu Frankreich ist spürbar.
Es ist ein bisschen jener Schmelztiegel-Effekt, den man auch bei Winzern aus dem Elsass immer mal wieder beobachten kann. In der Flasche verschwimmen die Ländergrenzen, das ist gut, das ist eigenständig! Der Spross der Familie Johannes hat neben vielen anderen Stationen auch im Burgund gelernt, irgendwie glaubt man das dann auch zu schmecken… Jülg Sauvignon blanc Sonnenberg 2012 trocken Pfalz | #Leertrinker07 weiterlesen